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Croisière Blanche - Bedaux' kanadische Subarktis-Expedition
Neben den sehr bekannten Entdeckungsfahrten Croisière Noire und Croisière Jaune, welche von André Citroën in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts organisiert wurden, hat es eine weitere Fernfahrt gegeben, welche jedoch praktisch vergessen ist. Es geht um die Croisière Blanche, der weißen Kreuzfahrt, durchgeführt von Charles Bedaux.
Charles Eugène Bedaux (* 26. Oktober 1886; + 18. Februar 1944) war eine schillernde Persönlichkeit. Geboren in Charenton-le-Pont und aufgewachsen in Paris verließ er mit 17 Jahren die Schule. Das mit Gelegenheitsarbeiten verdiente Geld reichte gerade aus, um über die Runden zu kommen. Um 1903 lernte er den stadtbekannten Zuhälter Henri Ledoux kennen, welcher Bedaux Selbstvertrauen und selbstsicheres Auftreten vermittelt hat. Nachdem Ledoux 1906 ermordet wurde, wanderte Bedaux aus in die Vereinigten Staaten und wurde amerikanischer Staatsbürger.
Hier beschäftige er sich mit der von Frederick W. Taylor entwickelten wissenschaftlichen Betriebsführung (Optimierung und Planbarkeit von Arbeitsabläufen). Die Ideen und Lehren von Taylor fanden in vielen Großbetrieben Anwendung, so auch bei Citroën in Form der Fließbandfertigung von Granaten und später auch von Automobilen. Studien und Vorträge zur Optimierung von Betriebsabläufen, sowie die Gründung einer Beraterfirma mit Büros auf der ganzen Welt, ließen Bedaux zu einem Millionenvermögen kommen.
Wohl fasziniert von den Marketingerfolgen André Citroëns mit den Kreuzfahrten durch Afrika und Asien suchte Bedaux den Kontakt zu Citroën, um von seinem Plan zur Erkundung von unkartiertem Gebiet von British Columbia im Norden Kanadas zu berichten. Citroën ließ sich für den Plan begeistern, schließlich konnte er auf diese Weise einmal mehr seinen Namen mit einer großen Expedition verbinden. Es wurden fünf Citroën-Kégresse-Raupen des Types P17 zur Verfügung gestellt, welche Anfang April 1934 in Paris bereit standen, um anschließend nach Kanada verschifft zu werden.
Bereitstellung der Fahrzeuge, v.l.nr.:
André Citroën,
Bilonha Chiesa (Ehefrau eines Kameramannes),
Clovis Balourdet (Mechaniker der Citroën-Werke),
Fern Bedaux (Ehefrau von Charles Bedaux);
John Chisholm (Jagdleiter),
Josephina Daly (Köchin und Haushälterin),
Charles Bedaux
Die Expedition wurde zu einem großen Fiasko, da der Millionär Bedaux weder die nötige Erfahrung mit der Vorbereitung, noch mit der eigentlichen Durchführung einer solchen Expedition hatte.
Bevor die Expedition startete, versammelte Bedaux die Expeditionsteilnehmer in Alberta zu vorbereitenden Fitness- trainings. Später wird berichtet werden, dass keine Trainings, stattdessen aber diverse Partys mit viel Champagner gefeiert und viele pompöse Abendessen abgehalten wurden.
Die Expedition startete am 6. Juli 1934 nahe Edmonton.
Ziel war es, Telegraph Creek zu erreichen - eine Strecke von immerhin rund 2.400 km bei der die Rocky Mountains überquert werden mussten.
Ein beachtlicher Tross, bestehend aus den fünf Citroën-Raupenfahrzeugen und zwei Limousinen, machte sich auf den Weg. Neben Bedaux und dessen Ehefrau gehörte auch ein Kammerdiener, die Haushälterin und die Geliebte Bedaux' zum Team. Zwei Geographen, ein Geologe und ein Filmteam aus Hollywood gehörten ebenso dazu, wie über 50 Cowboys, welche sich um 130 Pferde zu kümmern hatten. Mehr als 20.000 kg an Ersatzteilen und Proviant, darunter sehr
große Mengen an Champagner und Kaviar, aber auch rund 200 kg Bücher und diverse Schachteln und Koffer mit der Abendgarderobe und den Schuhen von Bedaux' Geliebten, mussten transportiert werden.
Auf den ersten Kilometern kam die Expedition gut voran. Schon am 17. Juli 1934 wurde nach einer Strecke von knapp 900 km Fort St. John erreicht, wo die Expedition fünf Tage bleibt, um die Fahrzeuge zu warten und Proviant aufzufüllen. Der folgende Teil der Strecke, der tiefer in die Rocky Mountains führte, hatte es in sich.
Zwischenhalt, vermutlich in Fort St. John
Tagelanger Regen hatte die Strecke in Schlamm verwandelt. Halbwegs befestigte Wege in den Dörfern waren zu großen Schlammlöchern verkommen. Der Regen hatte zu Erdrutschen geführt, welche Umwege erforderlich machten. An ein zügiges Vorankommen unter diesen Umständen war nicht zu denken.
Man erkannte, dass die Fahrzeuge zu schwer beladen waren. Hierdurch, und durch den klebrigen Schlamm, wurde die Lebensdauer der Raupenketten drastisch reduziert.
Unterwegs trennte man sich von einige Dingen, u.a. von der nur rund 50 kg schweren Ausrüstung des Geographen Frank Swannell, der eigens für die Kartierung der Route engagiert worden war. Champagnerkisten, exotische Lebensmittel wie Kaviar und Trüffel, sowie die festliche Kleidung wurden jedoch weiter mitgeführt.
Die Situation eskalierte derart, das Bedaux beschloss, drei der fünf Raupenfahrzeuge aufzugeben. Die beiden mitgeführten Limousinen waren schon lange vorher zurückgelassen worden.
Die Aufgabe der Raupenfahrzeuge wurde dramatisch inszeniert. Zwei Fahrzeuge wurden von einer Klippe in einen Fluss gestürzt. Das Filmteam hielt diese Szene von der gegenüberliegenden Flussseite auf Zelluloid fest. Trotz der Inszenierung wurde später berichtet, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat und die Besatzung der Fahrzeuge nur knapp dem Tod entkommen sei. Das dritte Fahrzeug wurde wenige Tage später mit Dynamit bestückt und auf ein Floß gesetzt. Auf einem Fluss treibend sollte es hollywoodreif explodieren. Da das Dynamit jedoch nass geworden war, misslang diese Aktion und die spektakulären Bilder dieser Aktion blieben aus.
Nachdem in den höheren Lagen der Rocky Mountains im September noch Schneefall und Kälte hinzukamen, verschlechterte sich die Situation und die Stimmung zusehends. Einige der Pferde waren durch Krankheiten und Schwäche verendet. Die Expedition wurde zudem durch den Unfalltod eines Expeditionsteilnehmers überschattet. Die Stimmung war schlecht, trotzdem quälte man sich weiter nordwärts.
Vom 22. bis 27. September legte man wieder eine längere Pause ein. Hierbei ist wohl der Entschluss gereift, dass das Ziel Telegraph Creek aufgeben werden muss, man zumindest aber einen anderen Weg suchen muss. Ein in der Nähe gelegener Berggipfel erhielt zu dieser Zeit den Namen Citroen Peak. Der 1.945m hohe Berggipfel trägt den Namen übrigens noch heute.
Am 28. September machte man sich auf den Rückweg. Drei Wochen später, nach nur rund 90 km Wegstrecke, in Whitewater Post angekommen, fasste Bedaux den Entschlus, die Expedition endgültig aufzugeben. Die Fahrzeuge blieben zurück und nur mit dem Nötigsten ausgerüstet, fuhren die Expeditionsteilnehmer mit einem Schiff auf dem Finlay River zurück nach Taylor, um von hier aus mit dem Zug nach Edmonton zurückzukehren.
Noch auf dem Bahnsteig wurde am 23. Oktober 1934 eine kurze Pressekonferenz abgehalten. Danach geriet die Expedition und auch Charles Bedaux in Vergessenheit.
Die Expedition war in jeder Hinsicht ein Misserfolg. Dieses ist wahrscheinlich auch der Grund, warum so wenig darüber bekannt ist, sicherlich im Vergleich zu den Expeditionen, die André Citroën einige Jahre zuvor selbst organisiert hatte. Das endgültige Ziel wurde nicht erreicht, die unerforschten Gebiete wurden kaum weiter kartiert, alle Fahrzeuge und fast die gesamte Ausrüstung, wie auch das aufwändig gedrehte Filmmaterial, gingen verloren. Bedaux hat dieses Abenteuer am Ende über 250.000 $ gekostet.
Charles Bedaux kehrt in die Vereinigten Staaten zurück, wo er einige Jahre später vom FBI unter dem Verdacht verhaftet wurde, die Nazis bei der Invasion Frankreichs unterstützt zu haben. Ob diese Anschuldigungen zutreffen, ist nie abschließend geklärt worden. Bedaux nahm sich am 18. Februar 1944 im Gefängnis das Leben.
Die in der Nähe von Whitewater Post zurückgelassenen Raupen-fahrzeuge wurden in den 1940er Jahren beim Bau des Alaska Highways 97 gefunden. Beide Fahrzeuge blieben bewahrt und sind inzwischen restauriert. Eines befindet sich im Reynolds-Alberta-Museum in Wetaskiwin, Alberta, das andere befindet sich im Moose Jaw Western Development-Museum in Saskatoon, Saskatchewan.
Schlammschlacht im Niemandsland
Mitte der 1980er Jahre wurde das verloren geglaubte Filmmaterial der Expedition in einem Keller in Paris wieder gefunden. 1995 wurde auf der Grundlage dieses Materials ein Dokumentarfilm über Charles Bedaux' Leben gedreht, in dem auch die Croisière Blanche thematisiert wird. Wohl angelehnt an den hohen Champagner-Verbrauch während der Expedition trägt der Film den Titel "The Champagne Safari".